Mittwoch, 7. Oktober 2015

Bitte entspannen Sie sich JETZT!


Als Reizdarmgeschädigte hört man früher oder später von einem Arzt oder einer Therapeutin, dass eine erlernte Entspannungsmethode grundsätzlich empfehlenswert sei, um eine der Ursachen dieser Erkrankung, nämlich Stress, zu reduzieren. Also machte ich mit 18 Jahren den ersten Versuch mit einem VHS Kurs Autogenes Training. Ich war eindeutig die jüngste Teilnehmerin und während ich so in bequemen Klamotten und mit Wollsocken auf einer Matte lag und mir vorstellte, wie meine rechter Arm gaaaaaanz schwer wird, lauschte ich dem sonoren Schnarcher links neben mir. Hm. Da schien jemand wohl sehr schnell auf diese Methode anzuspringen. Irgendwie machte der mich neidisch. Ich übte ein paar Mal zuhause, aber beim zweiten Teil, in dem man durch reine Fantasie die Wärme in die Körperzonen sendet, streikten meine notorisch eisigen Frauenfüße immer. Schwere ging, Wärme wollte nicht so. Und meinem Bauch schien es auch wenig bis gar nicht zu interessieren, was ich da tat.
Als ich 2010 mit schwerer depressiver Episode und damit verbundenen täglichen Durchfällen im Krankenhaus in Bethel landete, wurden dort geführte Imaginationsübungen nach Luise Reddemann mit den Patienten erarbeitet. Wir wanderten imaginär durch blühende Landschaften, erschufen unseren geschützten Ort, ladeten unnötiges Gepäck ab und wurden ein Baum. Begleitet durch die irre sanfte Stimme der Therapeutin konnten auch hierbei einige Leute endlich den Schlaf nachholen, der sich nachts nicht einstellen wollte. Ich fands total schön und hatte ne Menge angenehmer innerer Bilder, aber die Durchfälle konnten die auch nicht stoppen Vielleicht hätte ich lieber einen Staudamm visualisieren sollen. Oder einen Felsblock. 
Wahrnehmungsübungen halfen mir zumindest dabei, mich auf verschiedenen Körperteile zu konzentrieren und mal vom Bauch weg zu gehen. Und bei innere Unruhe oder Abwärtsspiralen kann ich auch heute noch sehr gut das "Pendeln" aus meiner Kur in Bad Kissingen im Winter 2013 anwenden, dass mich ablenkt und aus den Verzweiflungsgedanken holt: Man stellt sich vor ein Bild an der Wand und beschreibt eine Minute lang, was man sieht. Keine Bewertungen, nur sachliches Beschreiben. Dann wechselt man zu dem Problem, das einen gerade beschäftigt und spricht seine Gedanken dazu laut aus. Nach einer Minute wechselt man wieder zu dem Bild an der Wand. Es ist egal, ob man sich wiederholt. Meistens entdeckt man beim Beschreiben immer noch neue Kleinigkeiten. Dann wieder zum Problem pendeln.Und so weiter, bis man ruhiger atmet und sich distanzierter fühlt. Klappt oft bei mir.
Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen stand auch auf dem klinischen Therapieplan. Das funktioniert definitiv leichter, als Autogenes Training, weil man seine Muskeln erst fest anspannt und dann los lässt. Den Rest macht der Körper quasi von selbst. Hier wurden Schnarcher glücklicherweise immer wieder von unserer Körpertherapeutin geweckt. Ziel sollte ja schließlich nicht Einschlafen, sondern bewusste Entspannung im Wachzustand sein. 
Zum Schluss noch ein Geständnis: Auch mir ist das schon einmal passiert mit dem Einschlafen! Das war beim Theta-Drumming in Bad Kissingen. Wer jetzt nur Bahnhof versteht stelle sich vor, man liegt in der Mitte eines großen Kreises von Trommlern und alle schlagen denselben Rhythmus, der die Thetawellen des Hirns anregt. Die sind besonders aktiv, wenn man in den Schlaf hinüber gleitet. Entspannungshirnwellen also. Ich dachte: "Klaaaar, wenn 40 Menschen auf schamanischen Handtrommeln rumhauen, dann ist das sicher tooootaaal entspannend. Haha. Sehr witzig."
Ich habe geschnarcht.